Sprinter Floors und die Kunst der Entschleunigung

Auf dem Weg zu den Paralympischen Spielen in Tokio wollten wir Para-Sprinter Johannes Floors regelmäßig medial begleiten. Das Corona-Virus macht diesem Vorhaben zwar keinen Strich durch die Rechnung, aber die Zeit bis zu den Games 2021 in Tokio hat sich deutlich verlängert.

Bei der Vor-Pressekonferenz zu Deutschlands „Sportler des Jahres“ im Dezember 2019 sorgte der Leverkusener bei den Journalisten für Tränen der Rührung, als er erzählte, dass „die Amputation der Beine für mich Freiheit bedeutete“. Der 25-Jährige, der seit seiner Geburt am Fibula-Gendefekt (deformierte Füße) litt, fand einen Arzt, der ihm die Unterschenkel amputierte, als Floors 16 Jahre alt war. Nicht der Grund, aber der „Startschuss“ für eine erfolgreiche Para-Sportler-Laufbahn. Der „neue Blade-Runner“ wird er bereits genannt, er selbst sieht sich einfach als Läufer. Ein Läufer, dem im vergangenen Jahr in Dubai bei der Para-Leichtathletik-WM die schnellsten Zeiten der Welt über 100 m (10,54 Sekunden) und 400 m (45,78 Sekunden) gelangen.

Aber wie bereitet sich ein Top-Sportler nun vor? Erst seit kurzer Zeit ist klar, dass die Paralympischen Spiele in Tokio auf nächstes Jahr verschoben werden. „Dass sie jetzt fast auf den Tag genau um ein Jahr redatiert wurden, passt mit dem Vorbereitungs-Plan für dieses Jahr zusammen“, so muss immerhin der Weg nach Tokio nicht vollkommen verändert, sondern „nur“ zeitlich etwas angepasst werden, sagt der Sprinter. Aber schwer war die Zeit bis zur tatsächlichen Entscheidung von IOC und IPC. Erst wurde die Leichtathletik-Gruppe rund um Floors aus dem Trainingslager in Südafrika „spontan“ zurückbeordert. „Da war in Deutschland schon alles dicht, als wir zurückkamen.“ Und weil sein Trainer mit 70 Jahren zur Risikogruppe gehört, musste Johannes fortan alleine weitermachen. Über Stock und Stein entlang des Dhünn-Flüsschens im Oberbergischen Land, weil das „Draußen-Office“ im Olympia-Stützpunkt bereits geschlossen war.

Nebenbei hilft der Para-Sportler des Jahres 2019 seiner Nachbarin: „Wir leben quasi in einem Mehrgenerationenhaus, nur dass wir nicht miteinander verwandt sind.“ Bei den Einkäufen versucht er die Mitt-Achtzigerin zu unterstützen und findet es prima, dass „mehr auf den Wochenmärkten eingekauft wird. Vielleicht bringt uns diese Pandemie mehr zu unseren regionalen Wurzeln zurück, sodass wir die lokalen (Lebensmittel-) Läden stärken.“

Generell ist Johannes Floors ein Mensch, der gerne kritisch hinterfragt. Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Gerechtigkeit bedeuten ihm viel. Geplant war eigentlich eine Reise nach Venedig im kommenden Jahr, zur Biennale, einer internationalen Kunst-Ausstellung, die – wie er selbst sagt – uns und unserer Gesellschaft unangenehme Fragen stellt, „wie man mit sich und seiner Umwelt umgeht“.

Doch wie geht es jetzt weiter auf der „Road to Tokio 2021“? Trainiert wird momentan so gut es eben geht und nebenher bringt er von zu Hause aus sein Studium voran. Gemäß seinem Lebensmotto, positiv zu bleiben. „Und was wichtig wäre: dass sich die ganze Welt mal entschleunigt.“

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