Alle Olympia-Kanuten bleiben im Boot

Kaum ein Verband beschert dem deutschen Sport regelmäßig so viele Erfolgserlebnisse wie die Kanuten. In Tokio hätte sich der Medaillensegen fortsetzen können. Nun sitzen die Paddler förmlich auf dem Trockenen. DKV-Chef Thomas Konietzko (56), gleichzeitig internationaler Vizepräsident, berichtet über nationale und internationale Überlegungen für einen Re-Start – und dass alle deutschen Asse bis 2021 im Boot bleiben.
    
Wie hat sich der Verband durch die Corona-Krise verändert? Gibt es Erfahrungen die man aus den Entwicklungen und Erlebnissen nutzen kann?
Der Deutsche Kanu-Verband hat sich auch in der Krise nicht verändert. Unseren Mitgliedern, vor allem im Freizeitbereich aber auch im olympischen und nichtolympischen Leistungssport, ist allerdings bewusst geworden was uns fehlt, wenn wir unseren Sport nicht wie gewohnt ausüben können. Dinge und Abläufe, die bisher normal waren, wie das tägliche Paddeln auf dem Wasser, waren auf einmal nicht mehr möglich und zeigten vielen Paddlern schmerzhaft auf, wie wichtig dieser Bereich der Freizeitgestaltung eigentlich für das tägliche Leben war. Kanute ist man, egal ob im Freizeitsport oder im Leistungssport, mit Leidenschaft und es fehlt etwas im Leben, wenn man plötzlich seiner Leidenschaft nicht mehr nachgehen kann. Im Ergebnis des Lockdowns wurde noch nie so viel miteinander telefoniert und gesprochen, Erfahrungen ausgetauscht und über Möglichkeiten der Wiederaufnahme des Sports diskutiert und die Bindungen unserer Mitglieder an den Verband sind deutlich enger geworden.

Bleiben alle Kader-Athlet*innen, die von der Olympia-Verschiebung betroffen sind, bei der Stange?
Alle unserer Kaderathleten waren auf die nationale Qualifikation für die Olympischen Spiele fixiert. Es fehlte auf einmal das Ziel und die Motivation weiterzumachen und Lebenspläne kamen komplett durcheinander. Die größte Herausforderung für die Führung des DKV war es deshalb, die Sportler zu motivieren weiterzumachen, zu verdeutlichen, dass sich das große Ziel Olympia nur um zwölf Monate verschoben hat und darin auch eine Chance besteht, dass Newcomer die Etablierten noch angreifen und ihnen Olympiaplätze streitig machen können. Und dass die Etablierten die zusätzliche Zeit nutzen können, um in noch besserer Form 2021 in Tokio an den Start zu gehen.
Dies ist uns als Verband gelungen und alle Sportler unseres Verbandes wollen auf jeden Fall bis 2021 weitermachen. Dabei waren viele Probleme zu lösen. Einige hatten bereits einen Arbeitsvertrag für die Zeit nach den Spielen 2020 unterschrieben, wollten ihr Studium abschließen oder eine Familie gründen. Am Ende konnten wir als Verband helfen, die persönlichen Probleme zu lösen, waren wir der erste Verband, der an diesem Montag mit einer zentralen Maßnahme in Kienbaum bis auf wenige Ausnahmen mit dem erweiterten Olympiateam das Training wieder aufgenommen hat.
Wir werden uns dafür einsetzen, dass sowohl der Kaderstatus wie auch die Unterstützung durch die Sporthilfe auf der Basis des Jahres 2020 auch für 2021 unverändert fortgeführt wird.

Fix ist, dass die Wahl „Sportler des Jahres“ unter den Sportjournalisten auch 2020 durchgeführt wird. Glauben Sie, dass sich - trotz des vorerst abrupten Endes des Sportjahres - „geeignete“ Anwärter auf die Titel finden werden?
Vielleicht gibt uns diese Krise die Chance zu verdeutlichen, dass Sport nicht nur auf sportliche Höchstleistungen reduziert werden soll, sondern viel mehr ist und im Verborgenen viele ebenso zu würdigenden Aktivitäten stattfinden, die nie im Fokus der Öffentlichkeit waren. Es gibt in unseren Verband Freizeitpaddler die täglich paddeln und ihre Kilometer registrieren und mehrmals den Globus umrundet haben oder nichtolympische Sportarten wie z.B. Kanupolo, die seit Jahren trotz starker Konkurrenz die Weltspitze beherrschen. Vielleicht kann man auch die, die als Übungsleiter in Vereinen oder Stützpunkten die Grundlagen für die Erfolge legen, in den Fokus rücken.

Nachdem der Fußball nun wieder rollen darf und der Weltradsportverband UCI einen prallvollen Rad-Herbst-Kalender präsentiert, die Frage, ob Ihr Verband ebenso in Vorausplanungen für einen „heißen Herbst“ ist?
Leider ist im Moment alles unberechenbar. Wir planen auf internationaler Ebene jede Woche neu und müssen dann doch wieder verschieben oder absagen. Als Vizepräsident des Weltverbandes und Verantwortlicher für den olympischen Sprint erhalte ich viele Anrufe und Emails von Athleten aus aller Welt, die sich dringend einen Wettbewerb noch 2020 wünschen. Wir haben allerdings drei Kriterien als Voraussetzung für einen Wettkampf im Jahr 2020 festgelegt. Es müssen für die Mehrheit der Länder die Reisebeschränkungen aufgehoben werden und die Mehrheit der Länder auf allen fünf Kontinenten müssen die Möglichkeit haben, teilzunehmen. Die Mehrheit der Athleten vorher die Möglichkeit haben, sich ausreichend gut vorzubereiten und als drittes Kriterium müssen für alle Kontinente die Preise für Tickets erschwinglich sein. Sollten diese Kriterien erfüllt werden, planen wir Ende September eine Weltmeisterschaft in den nichtolympischen Disziplinen und einen Weltcup im Kanu Sprint in den olympischen Disziplinen in Ungarn durchzuführen.
Sollten diese Kriterien nicht erfüllt werden, planen wir aber auf jeden Fall einen internationalen Wettkampf für die Länder, die wieder uneingeschränkt reisen können.
Wir haben im Kanu Slalom ebenfalls noch für September und Oktober Weltcups in Pau/Frankreich und Prag/Tschechien und die Weltmeisterschaft im Extreme Slalom in Markleeberg/Deutschland geplant. Mitte Juni wollen wir final über die Durchführung der Wettkämpfe im September und Ende Juni über die Durchführung der Wettkämpfe im Oktober entscheiden.
Auf nationaler Ebene haben wir uns vorgenommen, in den meisten Disziplinen Deutsche Meisterschaften ab September abzuhalten. Grundlage dafür sind die Handlungs-und Hygienerichtlinien unseres Verbandes. Und: die Titelkämpfe werden komplett anders aussehen als gewohnt. Hatten wir im Kanu-Sprint bisher eine gemeinsame Meisterschaft in allen Bootsklassen mit mehr als 1000 Teilnehmern, so planen wir jetzt, eine reduzierte Meisterschaft nur in Einerbooten an nur einem Tag für jeweils eine Altersklasse durchzuführen, um die Hygiene- Regeln einzuhalten.
Wir hoffen aber noch, dass uns die Politik bis September mehr Spielraum gibt und vielleicht die eine oder andere Lockerung es möglich macht, Veranstaltungen für eine größere Anzahl von Sportlern zu organisieren.

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