Ursel Happe: Zweimal „Sportlerin des Jahres“

Die deutsche Sport-Familie trauert: Ursula Happe, die erste Olympiasiegerin in Nachkriegs-Deutschland, ist im Alter von 94 Jahren in Dortmund friedlich eingeschlafen. Die Goldmedaillen-Gewinnerin im Schwimmen 1956 in Melbourne schrieb eine ungewöhnliche Geschichte, war sie doch bei ihrem Triumph in Australien bereits zweifache Mutter.  Ursula Happe, die zeitlebens und bis ins hohe Alter ihrer Liebe zur Bewegung frönte, die noch bis weit in die 90 täglich im Schwimmbad ihre 1500 Meter kraulte, drei Mal in der Woche zur Gymnastik ging, hat nie viel Aufhebens um ihre Person gemacht, dabei hatte sie so viel zu erzählen. Die Liebe zur Familie war ebenso ausgeprägt wie die Liebe zum Sport, über den sie sagte: „Das ist das Beste, was ich machen kann, ein Leben ohne Sport wäre traurig, irgendetwas würde fehlen“.
1952 nahm die gebürtige Danzigerin, übrigens die Tochter eines Bademeisters, bereits an den Olympischen Spielen von Helsinki teil, wurde 1953 dann erstmals Mutter. Ein Jahr später wurde die Spezialistin im Brustschwimmen Europameisterin und beendete ihre Laufbahn. Ein weiteres Jahr darauf – 1955 – wurde Sohn Klaus geboren. Kurz darauf hatte es Happe aber wieder gepackt, sie schaffte die Olympia-Qualifikation und schlussendlich den großen Coup 1956 in Melbourne, mit dem sie sich auch selbst überraschte.
Schulterzuckend meinte sie nachher: „Irgendeine musste ja am Ende gewinnen“. Dass ausgerechnet sie es war, bereits über 30 Jahre alt, sorgte weltweit für Aufsehen. Von professioneller Olympiavorbereitung heutigen Zuschnitts war sie, die in ihrer Laufbahn auch 18 Deutsche Meistertitel sammelte, damals weit entfernt.
Morgens um sechs radelte Ursula Happe nach dem Krieg in Dortmund zum einzigen Hallenbad mit 25-Meter-Bahn. „Wenn ich Glück hatte, ließ mich der Hausmeister vor halb sieben rein“, erinnerte sie einmal: „Ich konnte aber höchstens einen Kilometer trainieren, dann musste ich schnell nach Hause“. Ehemann Heinz Günter musste zur Arbeit, und die Kinder brauchten ihre Mutter. In Melbourne schlug Ursula Happe zur besten Schlafenszeit („Ich wäre viel lieber ins Bett gegangen“) als Erste an – Gold! Und der beste Zeitpunkt, die Karriere zu beenden. Ein turbulenter Rückflug (Happe: „Das Gemüse flog uns um die Ohren“) konnte ihr nichts anhaben, aber ihrer Goldmedaille: Die wurde so hin- und her geschleudert, dass die Goldbeschichtung abplatzte. Zweimal Deutschlands Sportlerin des Jahres“
Egal, die Momente von Melbourne überstanden alles unbeschadet. Zweimal wurde Ursula Happe zur „Sportlerin des Jahres“ gewählt. Fiel die erste Ehrung 1954 in einem Karlsruher Hotel noch recht bescheiden aus, so nahm die „schwimmende Hausfrau“ zwei Jahre später in der Stuttgarter Liederhalle den Preis des Regierungspräsidiums entgegen. Bei der zehnten Wahl waren alle bisher Ausgezeichneten anwesend, jetzt schon im Blitzlichtgewitter der Fotografen. Und auch in Baden-Baden gehörte sie jahrelang zu den Stammgästen, stets begleitet von Sohn Rüdiger. Bei der 70. Wahl – 2016 – stand sie nochmals auf der Bühne des Kurhauses.

Text: Petra Nachtigäller
Bild: Privat

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.