Bolzen und Brennen für Para-Gold

Was ist zu tun, um sich – irgendwie – für Tokio in Form zu bringen? Kilometerfressen lautet die Antwort des fünfmaligen Para-Goldjungen Michael Teuber (53). Bis dato in diesem Jahr schrubbte der Bayer schon über 8000 km herunter auf der Rennmaschine herunter. 2020, während der totalen Corona-Wettkampfpause, waren es 20 000 km. Für Nichts.
Jetzt nutzte der Para-Cycler die allererste Challenge nach 20 Monaten. Platz 3 beim Weltcup-Einzelzeitfahren in Oostende/Belgien. Nun folgen die EM in Österreich und anschließend die Welt-Titelkämpfe in Portugal. Teuber, dessen Vita mit 20 WM-Goldmedaillen höchst beeindruckend ist, der sich 2019 mit Top-Resultaten das Ticket für Japan gesichert hatte, muss liefern, um die Qualifikation zu bestätigen. „Ist ja korrekt so, zu zeigen, dass man in den zwei Jahren nicht geschlafen hat…“ Sechs Startplätze stehen den deutschen Para-Bikern zu, aber acht Medaillengewinner der letzten Quali-Serie bieten sich an.
Normalerweise sähe Teubers Para-Programm auf dem F1-Kurs unter dem Fujiyama so aus. „Warmfahren“ auf der Bahn in der 3000-m-Verfolgung, volle Pulle im Kampf gegen die Uhr und das Finale beim Straßenrennen. Aber durch die Zusammenlegung von drei Wettkampf-Klassen (C1, C2 und C3) sind seine Chancen da nur minimal. „Aber ich brenne für Gold, selbst wenn der sechste Para-Sieg derzeit weiter weg scheint.“ Beim ersten Kräftemessen waren ein russischer und ein amerikanischer Kontrahent schneller als Teuber.
Seit einem Autounfall 1987 inkomplett querschnittsgelähmt und nach drei Jahren im Rollstuhl wieder aufs Rennrad gestiegen, hat Michael Teuber gelernt, Akzente zu setzten. Und wenn er zuletzt auf den Kanaren und den Balearen einsam über den Asphalt bügelte, blieb das Thema Paralympics omnipräsent. Er sagt, wenn die Spiele womöglich ganz abgesagt würden, gliche das einem Horror-Szenario für Sportarten, die ohnehin im Schatten stehen. „Eine Katastrophe wäre das“ – gänzlich von der Bildfläche zu verschwinden. Also „Ja“ zu Tokio, mit allen Einschränkungen. „Der Aufwand dort wird irre. Auch die Geimpften müssen PCR-Zertifikate vorlegen, sich täglich testen lassen, es gibt keinerlei Bewegungsfreiheit, dafür doppelt- und dreifache Absicherung.“
Er verstehe die Vorbehalte der japanischen Bevölkerung – aber gerade für Amateure ist dieses Highlight das einzige Äquivalent für jahrelanges Schuften. Und selbst wenn er es als „Fantasieren“ bezeichnet, gehen die Gedanken in die Ferne. „Ich hätte Lust, bis Paris weiterzumachen, denn ich bin Leistungssportler und fühle mich leistungsfähig.“ Doch die Frage (nach der langen Phase ohne Härtetests) „Wie gut bin ich noch?“ will er jetzt bei EM und WM beantworten.
Dann würde er sich auch freuen, bei der Wahl „Sportler des Jahres“ in Baden-Baden, wo er seit Jahren Stammgast ist, die Sportfamilie zu treffen. Das täte gut. Und die nächste paralympische Medaille könnte eine respektable Platzierung ermöglichen. Das sind keine pandemischen Träume, sondern die schlichte Sehnsucht nach etwas Normalität. Für Michi und so viele andere.

Foto: Michael Teuber

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