Lesser-Abschied wie im Märchen

Besser, packender und emotionaler hätte es kein Hollywood-Regisseur inszenieren können: Letzte Weltcup-Station einer langen Karriere, vorletztes Rennen, bei der Siegerehrung ganz oben auf dem Treppchen und tags darauf als Vierter noch einmal im Quartett der Top-Athleten. Und das auch noch im Olymp des nordischen Skisports, am Holmenkollen. Begleitet vom royalen Händedruck von Schwedens König Harald V. Erik Lesser muss sich vorgekommen sein wie im Märchen.

Lange zuvor hatte der deutsche Biathlet angekündigt, dass er die Bretter, die für ihn die Welt bedeuten, in die Ecke stellen würde. Und dass es auch keinen Nachlader am Schießstand mehr geben würde. Doch, dass er nach der Verfolgung, seinem vorletzten Wettkampf überhaupt, noch einmal die steilen Stufen hinauf zu dem Langlauf-begeisterten Monarchen würde steigen dürfen, damit hätte wohl er selbst nicht gerechnet. Und bei ein bisschen Smalltalk ließ er es nicht bewenden. Zum Schluss bat der Sieger noch um ein gemeinsames Selfie mit seiner Majestät. Was ihm natürlich gewährt wurde.

Seit 2010 läuft der Thüringer im Weltcup, holte 2015 zwei WM-Goldmedaillen, stand bei den Olympischen Spielen dreimal auf dem Treppchen. Und gehört immer noch zu den Besten. „Ich hab‘ mir gedacht, gib alles oder enttäusch‘ alle“, fasste der 33-Jährige nach der Zieldurchfahrt zusammen, was ihm durch den Kopf ging, nachdem er als Erster den Schießstand zum letzten Mal verlassen durfte. Am Ende reichte es für seinen dritten Weltcup-Sieg. Ohne Emotionen. Zunächst. „Heute hat‘s noch mal richtig wehgetan Ich hoffe, dass ich morgen noch was im Tank habe und dann kann ich von mir aus heulen wie ein Schlosshund.“

Lesser ist Weltklasse-Athlet und soziales Vorbild gleichermaßen. Seine Popularität in Russland nutzte er nicht nur, um auf seinem Instagram-Account ein deutliches Zeichen gegen den Ukraine-Krieg zu setzen. Als sein russischer Rivale Eduard Lapitow (27) kurz vor Olympia in Oberhof positiv auf Corona getestet wurde, half er diesem mit einem Trainingsrad und mit Ausrüstung, damit er in der Quarantäne trainieren konnte. In jedem Jahr werden beim „Sportler des Jahres“ eine Athletin oder ein Athlet als „Vorbilder im Sport“ geehrt.

Wir hätten da einen Vorschlag für dieses Jahr… Und vielleicht kriegt der Saal ja dann auch das bewusste Selfie zu sehen. Das mit dem König. Wer hat sowas schon vorzuweisen! Während die gesamte internationale Biathlon-Szene den Lesser-Rücktritt bedauert. Einer, der „sich etwas traut“, meist im richtigen Moment „das Richtige sagt“. 

Bild: picture alliance

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.