Extra-Runde mit deutscher Fahne

Es ist als besondere Ehre gedacht für die Medaillengewinner bei den European Championships, dass sie auf einem Floß über den Olympiasee zur Siegerehrung gebracht werden. Konstanze Klosterhalfen erweckte den Eindruck, als wäre sie eine knappe Stunde nach dem bisher größten Triumph ihrer Karriere die paar Hundert Meter rund um das Olympiastadion zum Coubertinplatz lieber gelaufen. Die 25-Jährige war an diesem Abend in München kaum mehr aufzuhalten, weder im Rennen über 5000 Meter noch danach. Während die Konkurrentinnen im Ziel fast alle entkräftet zu Boden sanken, schnappte sich Klosterhalfen nach ihrem Sieg die deutsche Fahne und lief damit eine Extra-Runde, getragen vom jubelnden Publikum, und trat schließlich nicht die Spur außer Atem zu den Interviews an. „Ein Europameister-Titel ist etwas ganz Besonderes und dann auch noch vor Heim-Publikum“, sagt sie. Klosterhalfen hatte zwei Runden vor Renn-Ende die favorisierte 10.000-Meter-Europameisterin Yasemin Can aus der Türkei überlaufen und war schließlich mit großem Vorsprung im Ziel angekommen. „Es ist unbeschreiblich. Ich habe mich nicht mal getraut, an eine Medaille zu denken.“

Denn nach ihrem vierten Platz über 10.000 Meter drei Tage zuvor gab es Zweifel, ob sie tatsächlich auch über die halb so lange Distanz antreten solle, ob dafür die Kräfte nach der wegen einer Corona-Erkrankung im Juni unfreiwilligen Pause in der Vorbereitung reichen würden. Sie musste ihren Trainer fast überreden, sie starten zu lassen. Am Morgen des Rennens aber, gab sie zu, „hatte ich schon ein bisschen Bammel. Ich dachte, hoffentlich laufe ich nicht hinterher.“

Für Klosterhalfen ist die Goldmedaille von München wie ein kleiner Neubeginn nach schwierigen zwei Jahren mit Verletzungen und dem Wirbel um das mittlerweile formal aufgelöste Nike Oregon Project, dem sie seit 2019 angehörte. „Wenn man ganz oben ist, muss man auch durch die Zeit durch. Das gehört dazu“, sagte die gebürtige Bonnerin. „Ich bin denen so dankbar, die mit mir da durchgegangen sind.“ Trainer Pete Julian natürlich, aber auch ihre Familie. Klosterhalfen hatte auch noch genug Energie, sie alle an diesen goldenen Abend ausgiebig zu drücken und herzen.

Malaika Mihambo, die dreimalige „Sportlerin des Jahres“, war erneut ganz dicht dran am nächsten großen Coup – doch am Ende fehlten der Weitsprung-Weltmeisterin ganze drei Zentimeter. 7,03 m bedeuteten Silber, das die Heidelbergerin zusammen mit 30 000 Zuschauern unter dem Zeltdach ausgiebig feierte. Während die deutsche Leichtathletik, nach der WM in Oregon noch stark kritisiert, weiter lieferte. Lokalmatador Tobias Potye katapultierte sich mit einem Satz über 2,27 m im Hochsprung aufs zweithöchste Podest. Übrigens: nach einer Woche Traum-Wetter über der bayerischen Metropole beendeten kräftiger Regen und Sturm die Hochdruck-Phase. Der guten Stimmung bei diesen Games der Superlative tut dies keinen Abbruch. „Die ganze Stadt ist aus dem Häuschen“ kommentierte der Münchner Merkur. Einfach elektrisierend, dabei zu sein… 

Bild: picture alliance

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