Übermannschaft Bietigheim: 60 Spiele ungeschlagen
Da gab es kein Halten mehr. Als am Sonntag spätnachmittag die Schusssire in der Ludwigsburger MHP Arena ertönte, rannte das komplette Team der SG BBM Bietigheim wie wild auf das Feld. Die deutsche Übermannschaft kann es auch international und hat soeben den amtierenden Champions League Sieger Vipers Kristiansand aus Norwegen mit 32:30 besiegt. Bejubelt von über 1.800 Fans schreibt Bietigheim damit weiter Handballgeschichte. „Das Team überrascht mich nicht, sondern begeistert mich. Ich weiß ja, was die Mädels können. Wir sind heute gegen den amtierenden Champions League Sieger zwei Mal mit 4 und später sogar 6 Toren hinten gelegen und trotzdem cool geblieben und hatten Vertrauen in die eigene Stärke“, erläutert Cheftrainer Markus Gaugisch einigermaßen nüchtern.
Die eigene Stärke oder einfach nur enormes Selbstvertrauen, dass scheint der Schlüssel zum Erfolg zu sein. Ein Selbstvertrauen, dass sich in der letzten Saison aufgebaut hat. Erst der deutliche Sieg im Supercup gegen den damaligen Meister Dortmund, dann der Europapokalsieg, gefolgt vom Triumph im DHB-Pokal und als Krönung der Gewinn der deutschen Meisterschaft. Das alles, ohne eine einzige Niederlage. Eine Saison, die nur schwer zu toppen ist und trotzdem ist das Team nach wie vor hungrig.
Nur zwei Neuzugänge, beide auf der Kreisposition, mussten im Sommer integriert werden. Nach nur wenige Trainingseinheiten, war das erlernte Selbstverständnis zurück: „Du kommst nach vier Wochen Sommerpause zurück in die Halle und denkst, du bist nur ein Wochenende weg gewesen. Das Spielverständnis, die Abläufe, alles war sofort wieder da“, ist Nationalspielerin Antje Döll begeistert vom eigenen Team. Sie ist bereits seit 2015 in Bietigheim, hat etliche Titel gewonnen, ist wie ihre Teamkolleginnen aber noch lange nicht satt. National dürfte auch in dieser Saison niemand der SG das Wasser reichen können. Zumindest, wenn das Team weiterhin von großen Verletzungen verschont bleibt. Denn was die Kadergröße betrifft, gehört Bietigheim in Deutschland nicht zu den Spitzenklubs, dafür ist aber jedes Trainingsspiel deutlich intensiver als ein Bundesligaduell. Die Champions League ist in dieser Saison die große Mission von Markus Gaugisch und seinem Team. Der Cheftrainer, zeitgleich auch Bundestrainer, wechselt im Sommer ganz zum Deutschen Handballbund, auch von vielen Spielerinnen läuft im Sommer der Vertrag aus. Der eingeschworene Haufen möchte es entsprechend allen und vor allem sich selbst beweisen, dass sie auch international zum Besten gehören, was der Frauenhandball zu bieten hat.
Mit drei Siegen und einem Unentschieden ist Bietigheim in die Königsklasse gestartet, hat dabei das ungarische Topteam FTC-Rail Cargo Hungaria mit 40:20 aus der Halle gefegt und beim starken CSM Bucuresti einen Punkt erkämpft. Jetzt der Sieg über den Champion der letzten beiden Jahre aus Kristiansand mit Handballlegende Katrin Lunde im Tor und zahlreichen internationalen Topstars auf dem Feld. Wohin kann die europäische Reise also noch gehen? Bietigheims Xenia Smits liefert die Antwort: „Die Reise kann noch weit gehen. Natürlich wird irgendwann der Tag der ersten Niederlage kommen, aber wir versuchen den so lange wie möglich von uns wegzuhalten. Wir geben jeden Tag unser Bestes und hoffen das diese Serie noch lange anhält.“ Die Bietigheimer Handballfrauen schreiben also weiter deutsche Handballgeschichte und machen Werbung in eigener Sache. Bleibt die Hoffnung, dass auch eine breitere Öffentlichkeit davon Wind bekommt.
Text: Daniel Räuchle
Bild: Baumann