Nordische WM im „Tal der Schanzen“

Ja, die Slowenen sind bescheiden. Aber sie sind auch selbstbewusst genug und hochmotiviert, um auf der Weltbühne des Sports ein gutes Bild abzugeben. Die Eröffnungsfeier der Nordischen Ski-WM in Planica jedenfalls war ein Extrakt aus Sportbegeisterung, Patriotismus, Organisations-Know-how und ganz viel kultureller Tradition. Und das Opening zeigte: Planica ist startklar für die WM, vielleicht sogar für eine unvergessliche...

Zum ersten Mal treffen sich Langläufer, Skispringer und Kombinierer hier zu einer Weltmeisterschaft. Überall hört und liest man, dass Slowenien noch nie ein solch großes Sportereignis auf die Beine gestellt hat. Entsprechend groß ist die Unterstützung aus Politik und Gesellschaft - in einem Land, das gerade mal so groß wie Hessen ist, nur zwei Millionen Einwohner zählt, dafür aber mit ganz viel unberührter Natur glänzen kann. Die Resonanz beim Publikum ist riesig. Die Karten für die Skisprung-Wettbewerbe gingen weg wie die berühmten warmen Semmel - und wegen der Nähe zu Österreich und Italien rechnen die Organisatoren mit zahlreichen Tagesgästen. Die Stimmung an den Schanzen und Loipen dürfte einzigartig werden.

Planica kennen viele vom Skifliegen. Hier findet Jahr für Jahr das Weltcup-Finale statt. Die Zuschauer sind skisprungverrückt und auch bei Sportlern und Trainern erfreuen sich die Veranstaltungen am nordwestlichsten Zipfel Sloweniens vor allem deshalb großer Beliebtheit, weil es die Einheimischen einfach verstehen, Feste zu feiern. Fröhlich, bisweilen auch feucht-fröhlich.

Planica, das wissen aber die wenigsten, ist keine Ortsbezeichnung. Es ist nur eine Bezeichnung des Taleinschnitts, der sich vom kleinen Dorf Ratece in den Süden schlängelt. Ganz hinten thront der Berg Jalovec, der zusammen mit dem zackigen Triglav (Drei Köpfe), dem höchsten Berg des Landes, sowie dem Razar, Prisojnik und Mangart eine beeindruckend schroffe Kulisse bietet. Die Natur zu achten und ihr unberührte Freiräume zu lassen, gilt in Slowenien als oberstes Gebot. Das hinderte die Organisatoren von Planica aber nicht, das "Tal der Schanzen" zu einem der modernsten Skisportzentren Europas einzurichten. Mit acht Anlagen nebeneinander herrscht hier die weltweit größte Schanzendichte, von der Mini-Nachwuchsschanze bis hinüber zur imposanten Skiflugrampe namens "Letalnica", auf der bei dieser WM aber nicht geflogen wird; erst wieder zum Weltcup-Saisonfinale Anfang April. Auf der anderen Talseite entstand ein Loipennetz, das höchsten Anforderungen entspricht und das den Sportlerinnen und Sportlern nach den ersten Trainings auch großen Respekt abringt. Keine allzu steilen Anstiege, aber viele rasante Abfahrten mit Sturzgefahr, lautet die einhellige Meinung.

Neu im Programm dieser WM ist der Mixed-Wettbewerb in der Nordischen Kombination. Nachdem 2021 in Oberstdorf erstmals überhaupt Frauen bei einer WM kombinierten, gibt es nun zusammen mit zwei männlichen Kollegen im gemischten Doppel eine zweite Medaillenchance. Dafür ist der Teamsprint der Männer, über viele Jahre eine Dömane der DSV-Allrounder, aus dem Programm gefallen.

Was generell das Sportliche angeht? Ähnlich wie bei der Biathlon-WM in Oberhof und der Alpin-WM in Frankreich werden auch in Planica vermutlich die norwegischen Flaggen auf der Medals Plaza in Kranjska Gora am häufigsten gehisst werden. Obgleich Therese Johaug nicht mehr dabei ist: Norge stellt im Langlauf das mit Abstand stärkste Team. Johannes Klaebo, Pal Golberg und Simen Hegstad Krüger werden bei der Medaillenvergabe ein gehöriges Wörtchen mitreden, ebenso wie bei den Frauen die Weng-Zwillinge Tiril und Lotta. In die Phalanx der Skandinavier einbrechen könnten im Teamsprint - wenn alles glatt läuft und die "Pfannen wieder heiß werden" (O-Ton von ARD-Reporter Jens-Jörg Rieck) - das deutsche Gold-Duo Victoria Carl und Katharina Hennig. Wobei Bundestrainer Peter Schlickenrieder die Erwartungen dämpft: Eine Wiederholung dieses Coups von Peking sei nahezu ausgeschlossen.

Ähnlich ist die Situation bei den Kombinierern. Jarl Magnus Riiber aus Norwegen ist allein wegen seiner Dominanz auf der Schanze der große Favorit. Weil er zuletzt aber gesundheitlich angeschlagen war und pausieren musste, lauern die beiden Oberstdorfer Zimmerkollegen Vinzenz Geiger (Olympiasieger von Peking) und Julian Schmid (derzeit Weltcup-Zweiter) auf ihre Chance.
Riibers Landsfrau Gyda Westvold Hansen gewann alle Einzel-Wettkämpfe in dieser Saison. An ihr führt kein Weg vorbei. Der gerade mal 17-jährigen Schwarzwälderin Nathalie Armbruster, für die als Fahnenträgerin bei der WM-Eröffnungsfeier ein "Kindheitstraum in Erfüllung gegangen ist", bleibt aber die Rolle einer Außenseiterin.

Medaillenchancen und damit eher niedrige Quoten in Wettbüros haben die deutschen Skispringer. Allen voran die Oberstdorferin Katharina Althaus, die in diesem Winter sechs Weltcupsiege feierte und sich bereit fühlt für das erste Einzel-Gold ihrer Karriere bei einer WM.
Bei den Männern scheinen Karl Geiger, Andreas Wellinger & Co gerade noch rechtzeitig in Form gekommen zu sein, die hochgehandelten Podest-Kandidaten aber kommen aus Norwegen, Polen und Slowenien.

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