Sportler des Jahres - Mai 2021

Siegesfeier von Tokio nach Baden-Baden verschieben

Elisabeth Seitz gehört zu Deutschlands erfolgreichsten Turnierinnen, 2012 in London und 2016 in Rio de Janeiro war sie bereits auf dem ganz großen Parkett zu sehen. Schrammte in Rio um die Winzigkeit von 0,033 Punkten an ihrer ersten olympischen Medaille vorbei – in Tokio will sie aufs Podium. Die Qualifikationen stehen Anfang Juni bei den „Finals Berlin Rhein Ruhr“ und Mitte Juni in München (12.6.) an. Bis dahin gilt es die nationale Konkurrenz zu beobachten und sich selbst weiterzuentwickeln. Tausende Wiederholungsübungen stehen auf dem täglichen Trainings-Programm, zwei Mal täglich bis zu sechs Stunden wird für den olympischen Traum trainiert. Den Druck will sie sich aber selbst nehmen und sagt: „Meine Erfahrung gibt mir Selbstvertrauen und solange ich das Vertrauen in mich selbst habe und alles sauber durchturne, sollte kein großer Diskussionsbedarf bestehen“.
Auch den kleinen Rückschlag am Stufenbarren bei der Turn-EM in Basel – als sie bei einem Zusammenspiel aus „technischem Fehler und fehlender Konzentration“ stürzte, warf sie nicht wirklich zurück. Die mentale Stärke hat sich „Eli“, wie sie fast alle nennen, durch ihre jahrelange Wettkampfroutine erarbeitet. Und „Richtung Olympia werde ich noch fitter, dann passieren solche Fehler nicht mehr so schnell.“ Die EM war für die 22-fache deutsche Meisterin zwar der erste Wettkampf nach über einem Jahr, jedoch nicht das Saisonhighlight.
Geplant ist die Anreise in das Land der aufgehenden Sonne schon zehn Tage vor den Wettkämpfen, um sich zu akklimatisieren. „Ich denke nicht, dass wir mehr sehen als die Halle, unser Zimmer und das olympische Dorf, wir werden keinen Schritt aus der Blase raus machen können“, so ihre Befürchtung. Aber die gebürtige Heidelbergerin konnte bei vorangegangenen Spielen ausreichend „Olympia-Feeling“ aufsaugen und ist einfach „total froh, dass es stattfindet. Weil der Weg zu den Spielen extrem schwer und anstrengend ist - und man alles dafür investiert, ja man gibt sein Leben komplett hin.“
Besuche von anderen Wettkämpfen und Kontakte zu Sportlern sind in diesem besonderen Jahr wohl eher tabu. „Jeder Schritt ist festgelegt, getestet werden soll in Tokio täglich, auch die Abreise ist bereits fix, spätestens 48 Stunden nach dem letzten Wettkampf muss das Team die Heimreise antreten.“ Eine große Party, wie sie die Aktiven sonst im Deutschen Haus des Team D feierten, wird es aufgrund der Infektionsgefahr nicht geben können.
Elisabeth Seitz (27) würde dies gerne verschieben: „Und zwar nach Baden-Baden. Es wäre echt schön, wenn der Sportler des Jahres 2021 im Dezember mit Gästen stattfinden könnte, das wäre für uns alle gerade nach den anstrengenden Jahren sowas wie Balsam für die Seele, das Zusammenkommen, sich feiern können. Dann verlegen wir die Siegesfeier von Tokio dorthin.“

Foto: picture alliance

 

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Bolzen und Brennen für Para-Gold

Was ist zu tun, um sich – irgendwie – für Tokio in Form zu bringen? Kilometerfressen lautet die Antwort des fünfmaligen Para-Goldjungen Michael Teuber (53). Bis dato in diesem Jahr schrubbte der Bayer schon über 8000 km herunter auf der Rennmaschine herunter. 2020, während der totalen Corona-Wettkampfpause, waren es 20 000 km. Für Nichts.
Jetzt nutzte der Para-Cycler die allererste Challenge nach 20 Monaten. Platz 3 beim Weltcup-Einzelzeitfahren in Oostende/Belgien. Nun folgen die EM in Österreich und anschließend die Welt-Titelkämpfe in Portugal. Teuber, dessen Vita mit 20 WM-Goldmedaillen höchst beeindruckend ist, der sich 2019 mit Top-Resultaten das Ticket für Japan gesichert hatte, muss liefern, um die Qualifikation zu bestätigen. „Ist ja korrekt so, zu zeigen, dass man in den zwei Jahren nicht geschlafen hat…“ Sechs Startplätze stehen den deutschen Para-Bikern zu, aber acht Medaillengewinner der letzten Quali-Serie bieten sich an.
Normalerweise sähe Teubers Para-Programm auf dem F1-Kurs unter dem Fujiyama so aus. „Warmfahren“ auf der Bahn in der 3000-m-Verfolgung, volle Pulle im Kampf gegen die Uhr und das Finale beim Straßenrennen. Aber durch die Zusammenlegung von drei Wettkampf-Klassen (C1, C2 und C3) sind seine Chancen da nur minimal. „Aber ich brenne für Gold, selbst wenn der sechste Para-Sieg derzeit weiter weg scheint.“ Beim ersten Kräftemessen waren ein russischer und ein amerikanischer Kontrahent schneller als Teuber.
Seit einem Autounfall 1987 inkomplett querschnittsgelähmt und nach drei Jahren im Rollstuhl wieder aufs Rennrad gestiegen, hat Michael Teuber gelernt, Akzente zu setzten. Und wenn er zuletzt auf den Kanaren und den Balearen einsam über den Asphalt bügelte, blieb das Thema Paralympics omnipräsent. Er sagt, wenn die Spiele womöglich ganz abgesagt würden, gliche das einem Horror-Szenario für Sportarten, die ohnehin im Schatten stehen. „Eine Katastrophe wäre das“ – gänzlich von der Bildfläche zu verschwinden. Also „Ja“ zu Tokio, mit allen Einschränkungen. „Der Aufwand dort wird irre. Auch die Geimpften müssen PCR-Zertifikate vorlegen, sich täglich testen lassen, es gibt keinerlei Bewegungsfreiheit, dafür doppelt- und dreifache Absicherung.“
Er verstehe die Vorbehalte der japanischen Bevölkerung – aber gerade für Amateure ist dieses Highlight das einzige Äquivalent für jahrelanges Schuften. Und selbst wenn er es als „Fantasieren“ bezeichnet, gehen die Gedanken in die Ferne. „Ich hätte Lust, bis Paris weiterzumachen, denn ich bin Leistungssportler und fühle mich leistungsfähig.“ Doch die Frage (nach der langen Phase ohne Härtetests) „Wie gut bin ich noch?“ will er jetzt bei EM und WM beantworten.
Dann würde er sich auch freuen, bei der Wahl „Sportler des Jahres“ in Baden-Baden, wo er seit Jahren Stammgast ist, die Sportfamilie zu treffen. Das täte gut. Und die nächste paralympische Medaille könnte eine respektable Platzierung ermöglichen. Das sind keine pandemischen Träume, sondern die schlichte Sehnsucht nach etwas Normalität. Für Michi und so viele andere.

Foto: Michael Teuber

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Gesa Krause: „Unser Zeit ist begrenzt“ Ein Leben nur in Höhen-Trainingslagern

Wer hoch hinaus will, der muss sich früh genug daran gewöhnen. Nach diesem Motto handelt 3000-m-Hindernis-Europameisterin Gesa Krause seit Monaten. Die 28jährige, die bei Olympia in Tokio in die Medaillenränge laufen möchte, ist seit Monaten unterwegs und tut alles, um ihren olympischen Traum zu verwirklichen. Dort, wo die Luft am dünnsten und der Sauerstoffgehalt am höchsten ist. Zu Hause, in ihrem neu erbauten Haus in der Nähe von Frankfurt, ist die für den Verein Silvesterlauf Trier startende Athletin eigentlich kaum noch.
„Früher ist man zum Flughafen gefahren, hat sich ein Ticket gekauft und ist losgeflogen. Heute ist immer ein ungutes Gefühl dabei und man fragt sich: „Klappt’s denn dieses Mal?“. Bisher hat es immer noch geklappt bei der WM-Dritten. Mit einer Menge Formulare, mit negativem PCR-Test und mit stundenlanger Sitzerei im Flieger mit Maske. Nach dem schon gewohnten Aufenthalt zu Jahresbeginn in der Höhe von Kenia ging es im März via Denver ins US-amerikanische Boulder. Neun Wochen Training in 1700m Höhe.
Vorwürfe, sie sei ständig unterwegs, während andere nicht reisen könnten, weist die Athletin von sich. „Ich verreise ja nicht, um Urlaub zu machen. Ich lebe seit Jahren fast nur in Höhen-Trainingslagern, das ist mein Beruf. Und ich kann ja jetzt im olympischen Jahr nicht damit aufhören.“ Doch Boulder, die zweieinhalb Monate schuften dort oben, ist schon wieder Geschichte. Gesa Krause ist längst schon wieder in einem anderen Winkel der Welt. Heute Abend, am letzten Freitag im Mai, läuft sie im Rahmen der Diamond League in Doha ihr erstes 3000-m-Hindernis-Rennen der Saison.
Ihre Gedanken sind dennoch schon längst in Tokio: „Es werden sicher ganz andere Spiele, als wir das gewohnt sind. Die Atmosphäre kann unter den Vorzeichen der Corona-Pandemie nicht mit früher vergleichbar sein. Vieles von dem, was die Seele von Olympia ausmacht, wird nicht oder nur stark eingeschränkt möglich sein: Die Unbeschwertheit beim Treffen mit der Jugend aus aller Welt, das Kennenlernen eines fremden Landes und seiner Kultur.“
Eine Option, dass die Spiele im letzten Moment aufgrund der Proteste im Heimatland abgesagt würden, „kann ich mir im Moment nicht vorstellen.“ Sie vertraue, sagt sie, „dem IOC und den japanischen Organisatoren, sichere Spiele für die Athleten zu veranstalten, die wir so dringend benötigen. Denn unsere Zeit im Spitzensport ist begrenzt.“ Nach der Absage vom vergangenen Jahr, so erzählt sie, „musste ich erst mal wieder in die Spur finden. Es war schwierig, Motivation zu finden für die neue Kraftanstrengung.“ Das aber, sagt Gesa Krause, sei ihr gelungen. „Ich bin jetzt auf einem guten Weg.“ Von der Höhe noch weiter hoch hinaus.

Foto: gesa krause / instagram

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