Sportler des Jahres - August 2023

Sommermärchen für Ungarn

„Diese WM in Budapest war eine der Besten in der 40jährigen Geschichte der Weltmeisterschaften“, bilanziert World Athletics-Präsident Sebastian Coe. Über 300.000 begeisterte Zuschauer, fast „magische Stimmung“, wie es Zehnkämpfer Leo Neugebauer beschrieb, ein fachkundiges und faires Publikum haben ein neues Sommermärchen nach der EM von München geschrieben. Erinnerungen an die denkwürdige WM 1993 in Stuttgart werden da wach.

202 Nationen bei diesem Ereignis vermitteln die weltumspannende Idee der Leichtathletik und dieser WM. Der Medaillenkuchen wird in immer kleinere Stücke für immer mehr Länder aufgeteilt. Die Leichtathletik ist noch globaler geworden. Am Nationalfeiertag Ungarns zu Beginn der WM waren eine Millionen Menschen in der ungarischen Hauptstadt rund um die Donau und auf den Brücken unterwegs, um ein gigantisches Feuerwerk und Flugdemonstrationen zu erleben. Jeden Abend waren 37.000 Zuschauer im Stadion.

Die Stars dieser WM: die Sprintkönige Noah Lyles (dreimal Gold) und Sha`Carri Richardson (zwei Titel, beide USA), Faith Kipyegon (Kenia), als „schwebende“ Läuferin, Armand Duplantis als König der Lüfte, Karsten Warholm bleibt der Dominator über die Hürden. Für die Stars gibt es keine Pause: schon am Donnerstag steht in Zürich bei der Diamond League das nächste Highlight an.

Leider wurde diese WM für Deutschland zur schlechtesten in der 40 jährigen WM-Geschichte. Die positiven Beispiele aus deutscher Sicht: Geher Christopher Linke wurde mit zwei Deutschen Rekorden zweimal Fünfter, Hochspringer Matthias Potye scheiterte nur durch einen Fehlversuch mehr an Bronze, Hindernisläuferin Olivia Gürth rannte mit persönlicher Bestleistung ins Finale. Kugelstoßerin Yemisi Okunleye überraschte im Vorkampf mit einer Bestleistung von 19,44 Meter.

Zu einem großen emotionalem Ereignis wurde der Zehnkampf. Zwar gab es für den schwäbischen Shootingstar Leo Neugebauer nicht die erhoffte Medaille, sein Fanklub von den Fildern bei Stuttgart, wo Neugebauers Eltern wohnen, sorgte für mächtig Stimmung. „Das war ein magischer Wettkampf“ freute sich Neugebauer. Nach seinem Besuch im ZDF-Sportstudio am kommenden Samstag fliegt der 23-Jährige nach Austin/Texas zurück um am Dienstag wieder im Hörsaal zu sitzen. „Die Olympischen Spiele in Paris werden 2024 mein ganz großes Highlight werden“, freut er sich schon jetzt.

Für Ex-Weltmeister Niklas Kaul, zweimaliger Sportler des Jahres, war der Wettkampf nach drei Disziplinen zu Ende. Eine alte Fußverletzung war wieder aufgebrochen.

Eine andere Botschaft dieser WM: Ungarn ist moderner und freundlicher geworden, trotz oder mit Viktor Orbán. Und die andere: Budapest, diese weltoffene Stadt an der Donau kann auch Olympia, das ist von verschiedenen Seiten zu hören. Mit einigen neuen Sportstätten wie das Központ-Stadion, die nach dem Modell der Kölner Arena gebaute Laslo Papp-Halle, das Puskas-Stadion sind offenichtlich Teil einer langfristigen Strategie, an deren Ende eine Olympiabewerbung für 2036 (oder danach) stehen könnte. Noch immer gibt es in der Gesellschaft allerdings Bedenken: solange man so viele soziale Probleme habe, seinen Milliarden für ein Olympiaprojekt nicht angebracht. Diese Leichtathletik-WM hat olympischen Ansprüchen schon mal genügt.

Bild: picture alliance

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Das legendäre ZDF-Sportstudio: Mit 60 ist der Ruhestand noch längst nicht in Sicht

In den Vorruhestand könnte es eigentlich schon gehen, und auch der Eintritt ins Rentenalter ist – zumindest theoretisch – so weit nicht mehr weg. Aber davon ist bei diesem „Jubilar“ ganz bestimmt keine Rede. Denn es ist gemeinsam mit der Tagesschau der ARD das ZDF-Pendant eines Fernseh-Dauerbrenners: „60 Jahre aktuelles ZDF Sportstudio“ heißt es am Donnerstag, 24. August.

 Denn an diesem Datum des Jahres 1963 flimmerte „das Sportstudio“ zum ersten Mal über die Mattscheibe. Mit den damaligen Moderatoren Rainer Grünzler, Helmuth Bendt, Wim Thoelke, Heribert Meisel und Harry Valérien.

Die Optik mit den wenigen Sekunden Dunkelheit, den dann erscheinenden zuckenden Zeigern der analogen Uhr und der Titelmelodie, die genau so bekannt ist wie jene vom „Tatort“ der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz: Das alles ist für jeden Pantoffelkino-Konsumenten eine lieb gewordene Gewohnheit geworden. Samstags abends, ganz spät, ist Sportstudio-Zeit. So wie es in dessen Anfangszeiten Peter Frankenfeld oder „Kuli“ Kulenkampff in den großen Shows waren.

Was haben wir nicht alles erlebt dort. Von Rainer Günzler und seinem Frage-ohne-Antwort-Interview mit dem boxenden Prinzen von Homburg bis zu Jochen Breyer und Sven Voss. Von Carmen Thomas bis zu Katrin Müller-Hohenstein, die seit vielen Jahren mit Rudi Cerne das Mainzelmännchen-Duo beim „Sportler des Jahres“ in Baden-Baden bildet.

Es gab nichts, was es nicht gab im ZDF-Sportstudio: Den Affen, der der Gattin von „Tarzan“ Jonny Weißmüller neben dem plaudernden Dieter Kürten die Haarpracht vom Kopf riss. Oder  Klaus „Toppi“ Toppmöller und seinem Kult gewordenen Spruch vom „bye bye Bayern. Bis hin zum „Kaiser“ Franz Beckenbauer, dem scheinbar alles gelang, was er anpackte. Wer sonst als er hätte wohl von einem gefüllten Weißbierglas aus ins Loch der legendären ZDF-Torwand treffen sollen als der „Erfinder des perfekten Libero-Spiels“.

Und was nehmen wir mit in die Nacht, wie der leider viel zu früh verstorbene Wolf-Dieter „Poschi“ Poschmann zum Schluss zu sagen pflegte: Die Gewissheit, dass auch mit 60 der Ruhestand noch lange nicht in Sicht ist.

Ad multos annos!

 

Bild: ZDF

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Zehnkampf: Deutsches Sommermärchen

Leichtathletik-Deutschland ist ein Land der Zehnkämpfer, mit einer legendären  Tradition, bis in die Gegenwart, auch vor der WM in Budapest. Niklas Kaul, Weltmeister von 2019 und Europameister 2022, kämpft gemeinsam mit Leo Neugebauer, dem Weltjahresbesten, am Freitag und am Samstag um Medaillen bei der WM in Ungarn. 

Willi Holdorf war 1964 in Tokio der erste deutsche „König der Athleten“, als er taumelnd ins Ziel fallend den Esten Rain Aun besiegte. Seitdem sind die deutschen Zehnkämpfer regelmäßig in der Erfolgsspur. Christian Schenk folgte als Olympiasieger 1988, Thorsten Voss (1987) und Niklas Kaul (2019) wurden Weltmeister, Siggi Wentz war WM-Dritter 1987 in Rom. Kurt Bendlin sowie Guido Kratschmer setzten als Weltrekordler Meilensteine in ihrer Disziplin. Frank Busemann überraschte als 21-jähriger Silbermedaillengewinner bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta. Legendär auch Jürgen Hingsen, nicht nur wegen seiner Disqualifikation bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul mit drei Fehlstarts, sondern wegen seiner drei Weltrekorde von 1982- bis 1984.    

Als jüngster Weltmeister der Geschichte war Niklas Kaul ein Teil des EM-Sommermärchens im vergangen August  in München und wurde zum zweiten Mal Sportler des Jahres. „Du bist ein großes Vorbild für unserer Generation“, sprach Kauls 17-jährige Schwester Emma ein emotionales Lob aus. In Budapest nimmt der Mainzer erneut Anlauf auf WM-Edelmetall.

Mit drei Wochen Trainingslager in Südafrika hat Kaul seinen bislang einzigen Zehnkampf 2023 in Ratingen vorbereitet, wo er mit 8484 Punkten Platz neun der Weltjahresbestenliste eingenommen hat. Das 10-Kampf-Unternehmen Kaul ist ein Familienunternehmen. Die Eltern sind die Trainer(Lehrer), gerade mit dem  Europäischen Coaching Award ausgezeichnet. Michael Kaul war deutscher Meister, Stefanie Kaul mehrfache österreichische Meisterin über 400 Meter Hürden.

Bislang kannten nur die Insider Leo Neugebauer von den Fildern bei Stuttgart. Jetzt ist der 23-Jährige der Shooting-Star der deutschen Leichtathletik und auch in USA, wo er Wirtschaft studiert, ist er in den Medien angekommen. Schon Im März hakte er mit 8478 Punkten die Olympianorm für Paris 2024 ab. Was dann im Juli passierte, gleicht einem modernen Märchen. Neugebauer, zwei Meter groß und 105 Kilo schwer, lieferte bei den US-Studentenmeisterschaften mit sechs Bestleistungen im Zehnkampf den Wettkampf seines Lebens und schoss mit 8836 Punkten an die Spitze der Weltjahresbestenliste, löschte den 39 Jahre alten DLV-Rekord von Jürgen Hingsen aus. „Das fühlt sich unglaublich und alles sehr cool an“, sagte der schwäbische Himmelsstürmer gelassen.  Seitdem ist „Leo the German“ auch im US-Sport eine Nummer, aufgestiegen wie Phoenix aus der Asche.

Mit 4591 Punkten hat Neugebauer einen atemberaubenden ersten Tag. Sportlich sind die beiden deutschen Zehnkämpfer komplementär: da wo Neugebauer (100, 400, Kugel) stark ist, hat Kaul noch Schwächen, und da wo Kaul sehr stark ist (Speer, 1500 Meter) hat der Jungspund Aufholbedarf.

Neugebauer profitiert von den idealen Bedingungen an der Uni in Austin Texas. Sportstätten, Hörsaal, Wohnungen. Ärztliche Versorgung auf engstem Raum.

Diwe Uni hat einen Sportetat von 250 Millionen Dollar, die Coaches verdienen teilweise über 400.000 Dollar pro Jahr. Für Student Neugebauer fallen durch sein Stipendium keine Kosten an, 8000 $ Taschengeld sind zusätzlich.

Kauls besondere Stärke: er kommt am zweiten Tag mit großen Schritten als weltbester Speerwerfer im Zehnkampf und mit überragenden 1500 Meter zum Finale. „Egal ob Olympiasieger Damian Warner, Weltrekordler Kevin Meyer oder  Pierce Laplage am Start sind, Leo Neugebauer ist derzeit der Beste und der Maßstab“, stärkt Kaul die Rolle seines Teamkollegen. „In Budapest geht es um drei WM-Medaillen. Wenn ich eine kriegen kann, ist das in Ordnung, auch wenn Leo vor mir ist,“ macht der  25-jährige Sport- und Physikstudent  seine Ansprüche  deutlich.

Mit gestärktem Selbstbewusstsein geht auch Leo Neugebauer in das zweitägige Unternehmen. „Im Zehnkampf kann immer alles passieren, und unerreichbar ist nichts“, lautet seine Philosophie. Die Fortsetzung der deutschen Zehnkampftradition ist möglich.  

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Ausnahmezustand im Hockey

Wow, Hockey ist im Fokus. Das Spiel mit dem Schläger und der kleinen Kunststoff-(früher Kork)Kugel stemmt sich gegen den Volkssport mit dem Lederball, der gerade seine neue Punkterunde startet. Und besitzt sogar klitzekleine Chancen, registriert zu werden. Dank der Heim-EM von Damen und Herren bis zum nächsten Sonntag in Mönchengladbach. Ob „Süddeutsche Zeitung“ oder „FAZ“: Hockey kommt ins Blatt – denn die Jungs treten als amtierende Weltmeister an. Noch ein Titel und die Krummstock-Koryphäen würden mindestens in die Mitfavoritenrolle für die Wahl „Mannschaft des Jahres“ rücken. Ganz im Gegensatz zu Fußball-Teams… Viermal (1972, 1992 und 2008 die Jungs, 2004 die Ladies) bekamen sie in der Vergangenheit die meisten Stimmen – das ist per se schon außergewöhnlich.

Bundestrainer André Henning will zwar „kein Ergebnis-Ziel“ vorgeben, doch er weiß auch, dass die DHB-Vertretung als World Champion (im Januar in Indien) unter dem Radar steht. Endlich wieder ein Turnier zuhause, ausverkaufte Zuschauerränge bei den Heimspielen und Spieler, die – trotz der Vielfach-Belastung – heiß sind, sich zu präsentieren. Allen voran Kapitän und Ausnahmespieler Mats Grambusch, der „den Anspruch bei der Heim-EM Erster zu werden“ kommuniziert. Er erwartet körpernahe „Battles“, nennt die Niederlande (Gruppengegner am Montag), Belgien und England als schärfste Widersacher und konstatiert aber auch, wie schwierig es war, nach dem WM-Flow wieder in den scharfen Training-Modus zu kommen.

Henning berichtet, dass es „Spieler gab“, die nach dem großen Triumph „nicht gleich wieder durch den Wald joggten.“ Er versuchte, jeden einzeln abzuholen, und dabei „erst auf den Menschen und dann den Athleten zu schauen“. Trainings-Apps halfen, die nächsten Übungs-Einheiten anzupacken, das Staff wiederum erhielt Aufschluss über die Fitness der Nationalspieler.

Sportdirektor Martin Schultze muss den Blick auch auf das Gesamte richten. Hinter seinem Team liegt Karrer-Arbeit, um die Europameisterschaft ultraprofessionell vorzubereiten. Jetzt geht man davon aus, „wirtschaftlich eine schwarze Null“ zu schreiben. Und wenn die deutschen Teams im Einsatz sind, kann der Sportfan kurze Ecken und brettharte Schüsse bei ARD und ZDF via Livestream zu verfolgen. Das ist neu. Ein Endspiel mit Grambusch & Co. könnte dann im Linear-TV übertragen werden. Das wäre auch aus anderer Sicht wünschenswert; denn nur der/die EM-Champions lösen das olympische Ticket nach Paris. Damit könnte der nächste Hockey-Ausnahmezustand beginnen.   

Bild: Deutscher Hockey-Bund e.V.

 



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Zuviel Radsport bei der Super WM?

Die erste Super-WM des Radsports, Titelkämpfe, die bis auf Querfeldein, alle Weltmeisterschaften, die der Radsport zu bieten hat, an einem Ort austrägt, sie war ein großes Festival des Radsports. Das fachkundige schottische Publikum feierte fast jede der 218 WM-Entscheidungen, die an elf Wettkampftagen stattfanden. Es waren stimmungsvolle Titelkämpfe, egal ob im Chris-Hoy-Velodrom von Glasgow, in der Emirates Arena (Hallenradsport), auf der BMX-Bahn oder auf dem Rundkurs durch die Innenstadt bei den Straßenrennen.

Der Bund Deutscher Radfahrer konnte elf Gold-, acht Silber- und sechs Bronzemedaillen feiern. Im offiziellen Medaillenspiegel rangiert Deutschland mit 19 Gold-, 19 Silber- und 15 Bronzemedaillen auf Rang vier hinter Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden. „Ich war überrascht, wie reibungslos in Glasgow alles funktionierte. Es war eine gelungene Veranstaltung, ein großes Radsport-Festival,“ zog BDR-Sportdirektor Patrick Moster, das Fazit.

Leider hatte man nicht die Möglichkeit, sich alles anzusehen, vieles lief parallel. 218 Titelkämpfe in elf Tagen, ein Monster-Programm. Und so blieb man doch wieder unter sich. Die Hallenradsportler waren einen Abend kurz auf der Bahn, die Bahnfahrer trafen wenigstens mal beim Abendessen auf die Straßenfahrer. Irgendwie aber fand man doch nicht oder nur selten zueinander. Und wenn eine Disziplin beendet war, dann reisten die Beteiligten ab. Ganz anders als bei Olympia, wo doch viele bis zum Schluss bleiben.

Die Idee dieser gemeinsamen Radsport-WM war gut, zeigte sie die ganze Bandbreite des Radsports, aber vieles war nicht zu Ende gedacht. Die UCI wollte sich als ein Veranstalter präsentieren, der Großes kann. Mit den sportbegeisterten Schotten und deren Organisationstalent hat es funktioniert. Es gab Kleinigkeiten zu beanstanden und auch nicht funktionierende Abläufe, die erheblich störten: Die Teamsprinterinnen mussten nach ihrem Sieg eine halbe Stunde in der Nebenhalle - ohne Zuschauer - ausharren, um auf ihre Medaillen warten. Man zerrte sie - weil der Zeitplan es so vorgab - aus der Mixed Zone weg, wo sie gerade begonnen hatten die ersten Interviews zu geben. Und stimmungsvolle Siegerehrungen gehen anders, als dass, was in Glasgow ablief. Ohne Zuschauer wurden den Sportlerinnen und Sportlern der Bahnentscheidungen die Medaillen umgehängt.

Die deutschen Teamsprinterinnen ließen alles trotzdem über sich ergehen, und das nach einem sehr langen Wettkampftag. Erst nach 23 Uhr kamen sie ins Hotel und saßen doch fröhlich morgens um Neun wieder beim Frühstück, um in die nächste Runde, das Zeitfahren, zu starten.

Das Akkreditierungssystem des Weltverbandes erschloss sich bis zum letzten Tag niemandem. Viele Medienvertreter mussten sich vor der WM für einige wenige Sportarten entscheiden, hatten keine Möglichkeit, die sogenannten „Randsportarten“ zu besuchen, weil sie sich durch die Einschränkung natürlich auf die Olympischen konzentrieren mussten. Einen Abstecher zur Halle, zum Trial? Fehlanzeige. Selbst die ARD, die zwar keine Erstübertragungsrechte besaß, sondern nur Zweitverwerter war, aber eine breite Plattform im TV und Hörfunk bietet, hatte keine Chance. „Ich hätte auch gern einen Beitrag über BMX-Freestyle gemacht, aber ich hatte keine Berechtigung an die Bahn zu kommen,“ klagte Holger Gerska von der ARD. 

Insgesamt waren - neben dem ZDF und der ARD - geraden einmal acht deutsche Journalisten und fünf Fotografen vor Ort, engagierte Medienschaffende, die vielleicht gern den einen oder anderen Beitrag über die Randsportarten gemacht hätten, was oft auch aus Zeitgründen nicht möglich war. Diese WM bot also keine Möglichkeit für die Randsportarten aus dem Schatten zu treten, im Gegenteil, die UCI verhinderte das und hat sich damit einen Bärendienst erwiesen. Auch die Sportler konnten sich - wegen der Parallelität wichtiger Entscheidungen - nur in Ausnahmefällen eine andere Radsportart ansehen. Also blieb man doch wieder unter sich.

Die Hallenradsportveranstaltungen waren angeblich schon früh ausverkauft. Doch das Bild, dass sich bot, war ein anderes. Die Akteure präsentierten sich vor halbleeren Rängen. Und mussten Änderungen im Programmablauf in Kauf nehmen, durften auch erst kurz vor ihrem eigentlichen Wettkampf in die Halle. „Dass ich jetzt plötzlich schon am Samstag dran war, und nicht wie sonst am Sonntag, hat schon alles ein wenig durcheinander gebracht,“ sagte Lukas Kohl, der in Glasgow zum siebten Mal Weltmeister im Einer wurde. Sogar unter den Augen von ZDF und Bild („in DIESER Sportart sind wir unbesiegbar“).

Glasgow 2023 war anders als 2018, als die European Championships in der Stadt waren. Dieses Ereignis war, wie München im vergangenen Jahr, ein Produkt der EBU, der europäischen TV-Anstalten, und die sendeten stundenlang live. Hier zulande war die Berichterstattung überschaubar. Sieht man von Eurosport ab, die beinahe rund um die Uhr sendeten.

Der Weltverband kassiert seit Jahren ordentlich ab, wenn TV-Anstalten, die nicht grundsätzlich Rechteinhaber sind (in Deutschland das ZDF) Minuten kaufen wollen. Das ist gerade den Randsportarten nicht dienlich. Die regionalen Fernsehsender, die gern den einen oder anderen Beitrag speziell im Hallenradsport gemacht hätten, haben bei den Preisen abgewunken.

Das Problem des Radsports ist außerdem, dass er in den letzten Jahren seine Sportarten so aufgebläht hat. Es ist keine gute Entwicklung, dass immer mehr Sportarten hinzu kommen mit immer mehr Altersklassen, ohne andere dafür aus dem Programm zu nehmen, wie es das IOC macht. Allein am Beispiel MTB wird das deutlich: Eliminator, Short Track, Staffel, E-MTB, wo soll das hinführen? Wer behält da den Überblick? Welchen Wert haben all diese Titel?

Bild: BDR-Medienservice

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Pleite auch bei der Leichtathletik-WM?

War das ein Sport-Sommer 2022 in München bei den European Championships mit zehn Sportarten. Für die deutsche Leichtathletik wurde es ein Sommermärchen mit 16 Medaillen und einer euphorischen Stimmung unter den Zuschauern im Olympiastadion. EM-Gold für Gina Lückenkemper (100 Meter), Julian Weber (Speer), Konstanze Klosterhalfen (5000 Meter), Richard Ringer (Marathon), Niklas Kaul (Zehnkampf)  und die Frauen-Sprintstaffel sorgten für eine Sternstunde. Balsam auf die Seele des DLV nach dem Debakel bei der WM in Eugene mit nur zwei Medaillen (Malaika Mihambo, Sprintstaffel Frauen).

Wo steht die deutsche Leichtathletik ein Jahr später vor der WM in Budapest  (19. bis 27. August)? „Ein Abschneiden wie in Eugene wollen wir nicht noch einmal haben“, sagt Jörg Bügner, der neue Sportdirektor des DLV. Doch der Blick auf die aktuelle Situation und den Leistungsperspektiven des 72-köpfigen Kaders lassen keine allzu rosige Aussichten zu. Zudem ist das internationale Niveau extrem hoch, die Konkurrenz unter den 2000 Teilnehmern aus 192 Nationen manchmal fast schon entrückt. Bei der WM in Eugene holten Athleten aus 45 Nationen Medaillen, allein 29 Länder gewannen einmal Gold.

Folgt den Pleiten der deutschen Fußballern und Fußballerinnen ein weiteres Desaster in Budapest? „Wir wollten natürlich erfolgreicher sein als in Eugene, zahlreiche Verletzungen machen uns aber einen Strich durch die Rechnung“, lässt DLV-Präsident Kessing eine gewisse Skepsis durchblicken.

Tatsächlich ist die Verletztenliste auch unter den deutschen Topstars lang: Olympiasiegerin und Doppel-Weltmeisterin Malaika Mihambo hat verletzungsbedingt abgesagt, genauso die Sprinterinnen Alexandra Burghardt und Lisa Mayer, womit Staffel-Bronze  von 2022 kaum zu verteidigen ist, der Start von Konstanze Klosterhalfen war bis zuletzt ungewiss, Ex-Weltmeister Johannes Vetter fällt ebenfalls aus, genauso wie Hallen-Europameisterin Hanna Klein. Stabhochsprung-Vize-Europameister Bo Kanda Lita Baehre und Konstanze Klosterhalfen verlängerten die Liste zuletzt.

Die Hoffnung stirbt zuletzt: Wer sind die deutschen Medaillenkandidaten bei dieser WM? Speerwerfer Julian Weber (USC Mainz) ist als Zweiter der Weltrangliste größte deutsche Medaillenhoffnung. „Ich werde in Budapest sehr weit werfen und will eine Medaille“, sagte der 28-Jährige nach seinem letzten WM-Test in Offenburg. Gewinnt Diskuswerferin Kristin Pudenz (Potsdam) nach Olympia- und EM-Silber eine weitere Medaille bei einem internationalen Großereignis? Die beiden Zehnkämpfer Niklas Kaul (Mainz) und  Youngster Leo Neugebauer (Leinfelden) versprühen zudem Hoffnung. Europameister Kaul ist nach seiner Verletzung wieder fit und für eine Überraschung gut. „Ich denke, ich kann in Budapest eine Medaille machen“,   äußerte sich Neugebauer optimistisch, nachdem er den 39 Jahre alten Deutschen Zehnkampf-Rekord von „Ikone“ Jürgen Hingsen ausgelöscht hatte.

Das DLV-Team muss sich dennoch strecken, um dem Märchen an der Isar ähnliche Hochgefühle an der Donau folgen zu lassen. 

Bild: picture alliance

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„Jede Medaille ist etwas Besonderes“

Etwas frische Luft wäre super,“ lachte Franziska Brauße, nachdem sie nach gewonnener Silbermedaille die Mixed-Zone auf der Radrennbahn des Chris-Hoy-Velodroms in Glasgow durchschritt. Die Temperaturen im Innenraum näherten sich 30 Grad. Die vollbesetzte Halle, die vielen Teilnehmer, das alles machte den Arbeitsplatz für die 24-Jährige aus Eningen in Württemberg nicht angenehm. Die Luft war stickig, das Atmen fiel schwer, erst recht nach einer solchen Leistung.

Vize-Weltmeisterin war sie gerade geworden, geschlagen nur von der aktuellen Weltrekordhalterin Chloe Dygert aus den USA, die die Konkurrenz fast auffrisst. „Eigentlich müsste ich mich freuen, hätte Grund zum Lachen, aber tatsächlich bin ich schon ein bisschen enttäuscht, dass ich das Finale verloren habe, auch wenn es keine Schande ist, gegen die Weltrekordhalterin zu verlieren“, sagte Franziska Brauße nach dem Verfolgerfinale in Glasgow. „Aber als Titelverteidigerin möchte man seinen Titel natürlich gern behalten.“ Das klappte nicht. Dafür war Brauße die einzige Deutsche, der es in Glasgow gelang, eine Medaille in einer Ausdauerdisziplin zu gewinnen. Und für ‚Franzi‘ war es bereits die vierte WM-Einzelmedaille in der Einerverfolgung in Serie. 2020 in Berlin gewann sie Bronze, hinter der neuen Weltmeisterin Dygert und Lisa Brennauer. 2021 holte Brennauer Gold, Brauße Silber. 2022 wurde sie in St. Quentin-en-Yvelines Weltmeisterin und in diesem Jahr wieder WM-Zweite.  „Jede Medaille ist etwas Besonderes. Ich denke, ich kann mich ein paar Stunden später auch über dieses Silber freuen.“

Aber sie liebt auch die Harmonie im Vierer. Wie im Rausch sei das Jahr 2021 gewesen, erinnert sie sich: Olympiasieg, WM-Titel, Weltrekord, EM-Titel und am Jahresende auch noch „Mannschaft des Jahres“ in Baden-Baden. Optimal. Doch dieser Flow war in Glasgow verflogen, weggefegt vom schottischen Nebel, der sich so oft über die Täler legt. Diesmal drückte er den deutschen Damen aufs Gemüt. Der Vierer lief nicht rund. Das Quartett, dass sich auch nach dem Karriereende von Lisa Brennauer international weiterhin in der Spitze bewegte, patzte, zum ersten Mal seit Jahren. Nach Bronze bei der EM zu Jahresbeginn in der Schweiz ging der deutsche Frauen-Vierer diesmal leer aus. 4:18.527 Minuten waren zu langsam. Die Mannschaften, die in Glasgow um die Medaillen fuhren, kurvten um bis zu neun Sekunden schneller ums Oval als Brauße, Lisa Klein, Mieke Kröger und Lena Charlotte Reißner, die anstelle von Laura Süßemilch eingesetzt wurde. Das sind Welten. Der Vierer hatte an diesem Tag seine Harmonie verloren, lief nicht rund, „zerlegte“ sich, nachdem Charlotte Reißner plötzlich das Hinterrad von Lisa Klein nicht mehr halten konnte.

„In den letzten Jahren hat es bei uns immer super geklappt, auch nach Lisas Karriereende. Jetzt ist das mal passiert, aber wir werden wieder angreifen,“ sagte Brauße nach der Niederlage. „Ich mag es, als Team zu gewinnen, wenn man weiß, man kann sich auf alle verlassen.“

Weil das in Glasgow in die Hose ging, werden Brauße und Co den Kopf nicht in den Sand stecken, denn in der Qualifikation lag das deutsche Quartett mit 4:15,035 Minuten noch auf Schlagdistanz zu Bronze. Der Abstand zwischen Platz drei und sieben: gerade einmal eine Sekunde.

„Wir wollten etwas probieren, und das hat leider nicht funktioniert,“ analysierte Bundestrainer André Korff. Bis Olympia habe man noch genau ein Jahr Zeit.

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In jeder Disziplin eine Medaille

Nach dem letzten Interview noch ein Handshake mit einer Gratulantin, dann verschwand Lea Sophie Friedrich aus dem Chris Hoy Velodrome von Glasgow, es war wieder spät geworden: Siegerehrung, Interviews…, und das vier Mal in sieben Tagen. Das braucht Zeit. Die 23-Jährige hat in allen Disziplinen, in denen sie an den Start ging, eine Medaille gewonnen: Gold, Silber, zweimal Bronze. Dass sie im letzten Wettbewerb des Abends den Titel der Britin Emma Finucane überlassen musste, konnte sie bald verschmerzen.

„Ich bin sehr, sehr glücklich über die Silbermedaille, auch wenn es am Anfang nicht so aussah. Ich habe alles gegeben, habe mir absolut nichts vorzuwerfen. Emma Finucane ist einfach sehr stark gefahren im Finale. Ich habe noch versucht an ihr vorbei zu fahren, aber es hat nicht gereicht.“

Nach der erfolgreichen WM startete die Wahl-Cottbuserin erst einmal in den verdienten Urlaub. Zwei Wochen ausspannen, zunächst auf Ibiza, dann in Frankreich, wo sie Mathilde Gros trifft. Gemeinsam wollen sie essen gehen. Auf der Bahn sind sie seit der Juniorenzeit erbitterte Gegnerinnen, privat befreundet. „Ich freue mich auf diesen Urlaub, es wird der letzte sein vor Olympia,“ weiß die hochdekorierte Sportlerin.

Acht WM-Medaillen hat sie inzwischen gesammelt, dazu sechs EM-Titel. Was noch fehlt ist Olympisches Gold. Das will sie nächstes Jahr gewinnen, in Paris, bei ihren zweiten Spielen nach Tokio. „Ich nehme viel mit von diesem WM-Turnier, werde viel Kraft daraus schöpfen und weiter an gewissen Kleinigkeiten arbeiten. Ich habe in jeder Disziplin hier eine Medaille geholt, darauf kann ich stolz sein. Jetzt richtet sich der Fokus auf Olympia, das wollen wir rocken. Der Rückenwind für Paris ist sehr stark.“

Friedrich hat in Glasgow abgeliefert. Auch mental scheint die gebürtige Mecklenburgerin einen weiteren Schritt gemacht zu haben. „Ich weiß auch, dass die Gegner immer auf einen schauen, weil sie wissen, dass wir Deutsche immer konstant oben waren. Das merkt man auch. Das muss man taktisch miteinfließen lassen", erklärte die achtmalige Weltmeisterin. Und auch der große Sir Chris Hoy war mächtig beeindruckt. Der sechsmalige Olympiasieger arbeitete bei der WM für BBC und interviewte die Deutsche mehrmals. „Sie ist großartig, so fokussiert, und dann auch wieder locker,“ lobte das britische Radsport-Idol die Deutsche.

Gleich zu Beginn beeindruckten die deutschen Sprinterinnen mit Gold im Teamsprint. Lea Sophie Friedrich, Emma Hinze und Pauline Grabosch pulverisierten den Weltrekord auf 45,848. So schnell war noch nie ein Trio auf der Bahn unterwegs - der vierte WM-Titel des Trios in Folge. Damit stehen sie schon jetzt auf der Vorschlagsliste als „Mannschaft des Jahres“ bei der Sportlerwahl 2023.

„Das ist cool, dass wir das wieder geschafft haben, echt Wahnsinn,“ jubelte Friedrich nach dem Finale. Und ließ weitere Medaillen folgen: Bronze im 500-m-Zeitfahren, Bronze im Keirin, ihrer Lieblingsdisziplin „Ja, ich habe mich zunächst sehr über mich geärgert, musste nach dem Rennen erstmal mit eigenen Emotionen klarkommen. Ich hätte einfach beim Angriff von Ellesse gleich reagieren müssen, das habe ich verpasst. Aber jetzt bin ich natürlich froh über diese Medaille,“ sagte sie.

Ihre erste internationale Medaille gewann Lea Sophie Friedrich 2017 bei den Junioren-Europameisterschaften 2017 in Portugal. Im Sprint und Zeitfahren wurde sie hinter der Französin Mathilde Gros Zweite, im Teamsprint raste sie mit Emma Hinze ebenfalls zur Silbermedaille. Seitdem saust die heute 23-Jährige von Erfolg zu Erfolg. Allein bei der Europa-Meisterschaft im Februar diesen Jahres in Grenchen/Schweiz feierte sie bei drei Starts drei Siege.

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Mit zweimal Gold dem Druck getrotzt

Mit zwei gewonnen Goldmedaillen war Emma Hinze eine der Stars der Bahn-Weltmeisterschaften in Glasgow  und ist damit schon jetzt eine viel gehandelte Kandidatin für die Wahl zur „Sportlerin des Jahres“ 2023. Die 25-Jährige gewann zum Auftakt der Bahn-Titelkämpfe Gold im Teamsprint zusammen mit  Lea Friedrich und Pauline Grabosch, jubelte einen Tag später über ihren ersten WM-Sieg im 500-m-Zeifahren . Ein Jahr vor den Olympischen Spielen in Paris hat Emma Hinze in Schottland gezeigt, dass sie zu den aussichtsreichen Sportlerinnen bei Olympia 2024 gehört, auch wenn es zum Abschluss der Bahn-Wettbewerbe nichts mehr wurde mit einer weiteren Medaille im Sprint. Da wurde Emma Hinze undankbare Vierte.

„Der vierte Platz tut schon weh. Das hat mich an Olympia erinnert. Im ersten Moment habe ich so ein Déjà-vu." Die Luft sei raus gewesen. In Tokio war sie als Dreifach-Weltmeisterin angereist, und wurde Zweite im Teamsprint, was sie damals als Niederlage empfand. Heute kann sie damit besser umgehen. Die Enttäuschung in Glasgow war zunächst groß, doch Minuten später nahm sie es gelassener. „Im Sport ist Sieg und Niederlage eben dicht beieinander. Ich weiß auch, wie es sich anfühlt, wenn man gewinnt", sagte sie im Chris-Hoy-Velodrome.

Emma Hinze ist eigentlich schon seit den Bahn-Weltmeisterschaften in Berlin im Februar 2020 ein Star auf dem Oval. Die gebürtige Hildesheimerin ist inzwischen achtfache Weltmeisterin, gewann Olympisches Silber in Tokio, hat fünf Goldmedaillen bei Europameisterschaften gesammelt und holte zuletzt alle vier Titel in den Kurzzeit-Disziplinen bei den Deutschen Bahnmeisterschaften in ihrer Wahlheimat Cottbus.

„Emma hat eine unglaubliche Willensstärke. Sie hat alles, was eine Sprinterin braucht: Schnelligkeit, Ausdauer, Biss“, schwärmt Bundestrainer Jan van Eijden über seine Athletin. Dieser Wille zum Sieg, der treibt sie immer wieder an. Aber sie hat auch gelernt, auf ihren Körper zu hören, verzichtet lieber auf eine Medaillenchance, statt sich zu überfordern. So sagte sie im letzten Winter die lukrative Champions League ab. „Mein Körper signalisierte mir, dass ich die Akkus wieder aufladen sollte. Seit drei Jahren habe ich auf keinen großen Wettkampf verzichtet“, erklärte sie die Nichtteilnahme.

Mentaler Druck

Emma Hinze verspürt aktuell mehr Druck, als zu Beginn ihrer Laufbahn, aber das hat sie im Griff. Daran hat sie im letzten Jahr mental gearbeitet. Als dreifache Weltmeisterin war sie bei den Olympischen Spielen in Tokio gestartet und stand sehr unter Beobachtung. „Alle sind voll gegen mich gefahren, jeder wollte mich schlagen. So eine Situation kannte ich vorher nicht. Aber daraus habe ich gelernt,“ sagt Hinze, die sich neben ihren eigenen Wettkämpfen auch sehr um den Nachwuchs in Deutschland bemüht.

Die Vielseitige

Im Winter absolvierte sie erfolgreich ein Trainerausbildung beim Bund Deutscher Radfahrer, außerdem hat sie zusammen mit Lebensgefährte Maximilian Levy die Nachwuchsserie „Sprinte wie Emma Hinze“ ins Leben gerufen. Ziel der Nachwuchsliga ist es, den Kurzzeit-Nachwuchs zwischen 15 und 19 Jahren zu fördern und neue Talente zu entdecken. „Ich möchte nicht nur über Nachwuchsförderung reden, sondern aktiv etwas tun diese mitgestalten,“ sagt sie. Die Serie findet großen Anklang bei Sportlern und Nachwuchstrainern, sie ist hoch professionell aufgezogen, es gibt Leadertrikots und lukratives Preisgeld. Was Emma Hinze anpackt, das macht sie richtig.

Begonnen hatte die Karriere zu Hause in Hildesheim auf der Straße. Aber schnell merkte Hinze, dass ihr der Bahnsport deutlich mehr liegt. Das Straßenrad nutzt sie nur noch zu Trainingszwecken, um Ausdauer aufzubauen. Sie fährt gern über die Dörfer, auch wenn sie den Spreewald sehr mag. „Aber um da hinzukommen, muss ich durch die ganze Stadt fahren. Deswegen ist es nicht meine Lieblingsstrecke,“ sagt sie. Die meiste Zeit trainiert sie ohnehin auf der Bahn oder im Kraftraum. Ein bis zwei Einheiten pro Tag, drei bis sechs Stunden an sechs Tagen die Woche.

Ihre ersten internationalen Erfolge feierte Emma Hinze 2014, als sie zusammen mit Doreen Heinze  Junioren-Europameisterin im Teamsprint wurde. 2016 holte sie ihren ersten Titel in der Eliteklasse, wurde Deutsche Meisterin im Keirin. Bei den Bahn-Europameisterschaften 2018 errang sie mit Miriam Welte Bronze im Teamsprint wie auch bei den Weltmeisterschaften 2019. 2020 gelang dann der große Coup bei der Heim-WM in Berlin, wo sie dreimal Gold gewann: im Teamsprint, im Keirin und im Sprint. Danach folgte Gold im Sprint und Teamsprint (2001) und im Teamsprint (2022). Außerdem ist sie fünffache Europameisterin.

Nicht auf Rekordjagd

Dass sie einmal Kristina Vogel überholen könnte, die mit elf WM-Siegen die erfolgreichste Bahnfahrerin überhaupt ist, daran verschwendet Emma Hinze keinen Gedanken. „Jeder Weg ist unterschiedlich, jeder Mensch ist unterschiedlich,“ sagt sie. Es seien andere Zeiten, meint die 25-Jährige. „Es hat in den letzten Jahren große Sprünge gegeben, die Siegerzeit von Rio würde heute nicht einmal mehr reichen, um sich fürs Olympische Sprint-Finale zu qualifizieren,“ sagt Hinze, die kritisiert, dass es so viele internationale Wettkämpfe auf der Bahn in so kurzer Zeit gibt. Innerhalb eines Jahres finden auf der Bahn zwei Welt- und zwei Europameisterschaften statt. „Das kenne ich von keiner anderen Sportart,“ sagt Hinze, die Glasgow trotzdem genossen hat. „Ich fand es cool, dass mal alle Radsport-Disziplinen zusammen an einem Ort präsentiert werden. Das war eine Chance, mehr Leute für den Radsport zu begeistern“, sagte sie.

Nach sieben harten Wettkampftagen war Emma Hinze froh, ihre Koffer packen und die Heimreise antreten zu können. Jetzt ist Urlaub angesagt, nach dieser langen und sehr ansprengenden Saison. Aber die Pause dauert nur kurz, denn in nicht einmal zwölf Monaten beginnen die Olympischen Spiele von Paris. Und da hat Emma Hinze ein Ziel: Gold!

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Trauer um Prof. Marianne Werner-Ader

Mit fast 100 Jahren ist Ende Juli Prof. Marianne Werner-Ader verstorben. Sie war die älteste noch lebende „Sportlerin des Jahres“ und bis ins hohe Alter auch in Baden-Baden zum Feiern aufgelegt. Ob im Kurhaus oder in der Hotel-Bar mit unseren Mitstreitern, bis spät in die Nacht. Denen erzählte sie dann auch von der langen Reise zu den Olympischen Spielen in Melbourne 1956 – mit dem Schiff um den halben Erdball. Kugelstoßen und Diskus waren ihre Disziplinen, aber nur mit der Kugel errang sie internationale Medaillen (Silber u. Bronze bei Olympia). 1958 als Europameisterin wählten die deutschen Sportjournalisten sie zur „Sportlerin des Jahres“, die Ehrungen fanden damals in der „Kleinen Westfalenhalle“ in ihrer Heimat Dortmund statt.

Nach 2014 wurde die Fahrt an die Oos doch zu beschwerlich – von da an kamen jedes Jahr ausführliche Weihnachtskarten, geschrieben in ihrer zierlichen, exakten Handschrift. Sie hinterlässt vergnügliche Erinnerungen im ganzen Team.

Unsere Anteilnahme gilt ihrem Ehemann und der ganzen Familie.

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