Wintermärchen auf goldenen Kufen
- Publiziert in Sdj News
Was soll man als Freund des Wintersports sagen – nach dieser aufrüttelnden Doku von Felix Neureuther über den Zustand der Alpen und die Zukunft der Schnee& Eis-Wettkämpfe in mittlerweile zu warmen Gebieten quasi ohne Minus-Temperaturen. Abschnallen, aufgeben, ganz woanders schlitteln oder skaten? Die schonungslose Analyse, vor allem im Hinblick auf die angeblich nachhaltigsten Winterspiele aller Zeiten, 2026 in Mailand, Cortina und Antholz.
Und das in einer Phase, da die deutschen Cracks in den Eiskanälen ihre internationale Konkurrenz regelmäßig deklassieren – und sich frühzeitig auf die Pole Position für die 78. Wahl „Sportler des Jahres“ im Dezember 2024 begeben. Der Reihe nach. In Winterberg besetzten die Zweier-Bobs das komplette WM-Podium, nicht zum ersten Mal in dieser Saison. Nur das Ranking im Hochsauerland gestaltete sich anders. Team Friedrich vor Newcomer Adam Ammour und Titelverteidiger Johannes Lochner. Der „Franz“, teilweise schon der Verzweiflung nahe, stellte die alte Ordnung wieder her: mit Bahnrekorden, der Perfektion sehr nahe.
Der 15. WM-Sieg für den 33-Jährigen aus Pirna, der seine Serie im Vierer ziemlich sicher ausbauen dürfte. Bei den Frauen siegte die 25-jährige Laura Nolte auf ihrer Heimbahn – die nicht-deutschen Rivalinnen hatten aufgrund von Adduktoren-Problemen der späteren Mono-Bob-Weltmeister kurz auf eine Chance gehofft. Wurde aber nichts. Bronze ging nach vier Läufen an Lisa Buckwitz, wenigstens die Damen ließen ein Treppchen frei…
So ging es weiter. Die Skeletoni ließen in ihrem Eiskanal ebenso wenig anbrennen. Christopher Grotheer raste bäuchlings zum nächsten Gold. Mit Olympiasiegerin Hannah gewann er auch im Mixed – einem Wettbewerb, der 2026 erstmals zum Fünf-Ringe-Programm in Italien gehört. Dort dürften, das lässt durchaus 2024 schon prognostizieren, deutsche Medaillen hageln. Ein Eis-Spektakel.
Aber wo? Laut aktuellen Entwicklungen wird in Cortina d‘ Ampezzo ein neuer Kreisel wohl gebaut, der alte von der Winterspielen 1956, ist dem Erdboden gleichgemacht. Es heißt, über 100 Millionen Euro verschlinge das Projekt, zwischenzeitliche und günstigere Alternativen in St. Moritz und Innsbruck-Igls sind vom Tisch. Felix Neureuther versteht seit seiner Inspektion die Welt nicht mehr. Keine drei Dutzend Azzurri betreiben aktuell Bob- und Rodelsport sowie Skeleton.
Ob Friedrich, Nolte, Grotheer und Co. am Ende in zwei Jahren an dieser Stelle ihre sagenhafte Dominanz einmal mehr dokumentieren können? Fast alle hoffen, nicht in einer „Dependance“ als olympische Zaungäste zu enden. Doch Siege dürften die Erfolgsverwöhnten des Team D wohl in jeder Eisrinne dieser Welt einheimsen.
Aber die Diskussionen, wie viel Wintersport die Alpen künftig verkraften, werden weitergehen. Und zwischen Mailand und Cortina drohen die Kosten für die nächsten Spiele im zunehmend warmen Winter zu eskalieren. Das erinnert auch direkt an Sotschi 2014, wo das viele Geld zur sportlichen Image-Pflege zwischen Schwarzem Meer und Kaukasus jedwede Diskussion um Naturschutz oder Nachhaltigkeit plattwalzte.
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